Um was geht es?
Die verstärkte Einbeziehung von Älteren in die betriebliche Kompetenzentwicklung hat Konsequenzen für Form und Inhalt der Weiterbildungsmaßnahmen. Ältere lernen nicht schlechter als Jüngere, aber sie lernen anders. Sie sind keine Trichter, in die man den Lernstoff füllen kann (dozentenorientiertes und fremdgesteuertes Lernen), sondern sie haben bereits ein erhebliches Maß an Vorbildung und Vorerfahrung, die allerdings aufgrund der langen Lernentwöhnung wieder aktiviert werden müssen (teilnehmerorientiertes und selbstgesteuertes Lernen).
In vielen Betrieben hat sich die betriebliche Weiterbildung bisher vor allem an Nachwuchskräfte, gut Qualifizierte, Angestellte und Führungskräfte gerichtet. Der Wandel der Arbeitssysteme, der Technologien und der Altersstrukturen macht es jedoch erforderlich, in stärkerem Maße Erfahrungsträger, Angelernte und gewerblich Beschäftigte zu berücksichtigen.
Dazu kann auf bewährte Leitlinien zur Aufbereitung von Lernstoff und Lernformen zurückgegriffen werden.
Welchen Nutzen hat der Betrieb?
Eine alternsgerechte Weiterbildung trägt dazu bei, die Weiterbildungszurückhaltung der älteren Mitarbeiter(innen) zu überwinden. Sie rührt u. a. aus ihrer Angst, wieder in eine schulähnliche Situation zu geraten und nochmals die „Schulbank drücken“ zu müssen. Betriebliche Sensibilität gegenüber diesen Befürchtungen und die Entwicklung angepasster praxisnaher Lernformen bauen die mentalen und psychischen Hürden bei den Älteren ab. Sie bewirken, dass die älteren Teilnehmer(innen) bei Qualifizierungsmaßnahmen „bei der Stange bleiben“.
Wie wird vorgegangen?
Weiterbildung kommt immer dann ins Spiel, wenn sich Technologien, Arbeitsaufgaben und Organisationsstrukturen verändern. Den Wandel anzunehmen fällt den Beschäftigten dann leichter, wenn sie an ihre neue Rolle bzw. Aufgabe herangeführt und dafür qualifiziert werden.
Damit die Beschäftigten diese Veränderung aktiv mittragen, bedarf es einer gezielten Ansprache und Motivierung. Dies gilt in besonderem Maße für Ältere, die erfahrungsgemäß Reorganisationsprozessen und Veränderungen in ihren Arbeitsgewohnheiten skeptischer gegenüber stehen und die deshalb auch gegenüber Qualifizierungsprozessen reservierter sind. Die Veranstalter von Qualifizierungsmaßnahmen sollten deshalb in ihren Planungen bewährten Anforderungen Rechnung tragen.
Anforderungen an die betriebliche Weiterbildungsplanung
- Durchführung der Weiterbildung im Umfeld des bisherigen Tätigkeitsbereiches und, soweit möglich, Verwertung bon bisherigen Berufserfahrungen
- eigehende Beratung der Teilnehmer über Ziel und Inhalt der Maßnahme
- Einsatz geeigneter Lernmethoden (Berücksichtigung mgölicher Lernentwöhnung im Alter)
- relativ kurze Verweildauer in den Maßnahmen
- hohe Anteile beruflicher Praxis
- allgemein anerkannte Zertifizierung
Quelle: © BDA 2002, S. 22
Neben diesen Rahmenbedingungen spielen pädagogische Leitlinien zur inhaltlichen und methodischen Gestaltung der Maßnahmen eine entscheidende Rolle. Sie gehen davon aus, dass viele Ältere „lernentwöhnt“ sind, weil sie längere Zeit nicht an Kursen oder Schulungen teilgenommen haben oder weil sie nur Tätigkeiten mit schwachen Lernanreizen ausgeübt haben. Sie finden sich deshalb in Lernsituationen nur schwer zurecht und brauchen andere Lernstrategien und -formen.
Leitlinien | |
TeilnehmerInnen in die Kurs- und Materialgestaltung einbeziehen! Nach dem Verständnis einer Erwachsenenbildung, die Selbstständigkeit ihrer TeilnehmerInnen als Voraussetzung, Weg und Ziel begreift, werden die älteren Lernenden zu Mitgestaltern von Bildungsmaßnahmen. Vorurteile gegenüber der Lern- und Leistungsfähigkeit Älterer abbauen! Vorurteile bezüglich der Lern- und Leistungsfähigkeit Älterer führen häufig zu motivationalen Barrieren und Lernhemmnissen aufgrund von mangelndem Selbst-vertrauen in die eigene Lernfähigkeit. Vorurteile wie „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ sind daher in den Kursen zu diskutieren und durch wissenschaftlich fundierte Gegenargumente abzubauen.Aktivierende Methoden des Lernens und Lehrens verwenden! In den Qualifizierungsmaßnahmen sollen aktivierende Methoden des Lernens und Lehrens eingesetzt werden. Klassischer dozentenorientierter Unterricht ist zu vermeiden, da eine zu starke Dozentensteuerung und die damit verbundene Schülerrolle von älteren Erwachsenen häufig als störend empfunden werden. Lernstrategien vermitteln! Personale Beratung und Betreuung gewährleisten! |
Vorwissen der TeilnehmerInnen einbeziehen! Vorwissen spielt beim Lernen eine entscheidende Rolle. Älteren sollte deshalb der Zugang zum Lehrstoff durch die Verwendung von Übungsbeispielen erleichtert werden, die auf bekanntem Wissen aufsetzen.Zusammenhänge vermitteln, Lernstoff strukturieren, Schwierigkeitsgrad vereinfachen! Bei Älteren hat es sich zu Beginn von Qualifizierungsmaßnahmen als erfolgreich erwiesen, dass Kenntnisse über den Gesamtzusammenhang vermittelt werden, dass eine übersichtliche Gliederung und eine gute Strukturierung des Lernstoffes gegeben wird und dass der Schwierigkeitsgrad somit vereinfacht wird. Lernaufgaben mit hoher Realitätsnähe verwenden! Bei der alternsgerechten Gestaltung von Aufgaben sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Quelle: in Orientierung an Stöckl, M., Spevacek, G. und Strake, A.: Alternsgerechte Didaktik, in: Schemme, D. (Hrsg.): Qualifizierung, Personal- und Organisationsentwicklung mit älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Berichte zur beruflichen Bildung 24, Bielefeld 2002, S. 89 ff |
Download: Leitlinien
Welcher Aufwand ist erforderlich?
Die Ausrichtung von Qualifizierungsmaßnahmen an den Adressatenkreis ältere Arbeitnehmer(innen) erfordert zunächst ein Umdenken der Führungskräfte. Ihre Politik war es bislang, bei Umstrukturierungen Nischen für Ältere zu suchen. Jetzt kommt es für sie darauf an, Ältere als Adressaten betrieblicher Weiterbildung zu sehen und entsprechende Aktivierungs- und Motivierungsstrategien zu verfolgen.
Gleichwohl muss der Aufwand nicht notwendig höher sein als bei der bisherigen Qualifizierung. Es gibt zahlreiche arbeitsplatznahe Qualifizierungsformen, die außer einer neuen Aufmerksamkeit für Ältere wenig bis gar keinen Aufwand verursachen: z. B. Selbstlernen durch Beobachten und Ausprobieren – gegebenenfalls mit Hilfestellung von Kollegen bzw. Kolleginnen und Vorgesetzten am Arbeitsplatz („Training on the Job“); systematische Wechsel zwischen Arbeitsplätzen und Tätigkeiten zur Erweiterung von Kompetenzen, zum Training der Lernfähigkeit und zum Belastungsabbau („Job Rotation“).
Bei arbeitsplatzfernen Qualifizierungsformen (Schulungen, Seminare, Kurse) haben viele Betriebe ohnehin meistens eine feste Vertragsbeziehung mit einer externen Weiterbildungseinrichtung. Sie sollte vom Betrieb auf die Prinzipien alternsangemessener Vermittlungsformen verpflichtet bzw. danach ausgewählt werden.
Was ist besonders zu beachten?
Die Zusammensetzung von Lerngruppen sollte nicht zu altersheterogen ausfallen. Jüngere und Ältere haben unterschiedliche Lernstile und Lerntempi, denen man mit einer altersgemäß differenzierten Vorgehensweise am besten entspricht. Außerdem ist es für Ältere hilfreich, wenn sie von einer vertrauten Person aus ihrem Arbeitsbereich unterwiesen werden. Ihr gegenüber haben sie weniger Scheu, Lernlücken zuzugeben. Und mit ihr zusammen wird eine realistischere Bestandsaufnahme des aktuellen Wissens und des vorhandenen Lernpotentials möglich.
Transferhinweise: Betriebe aller Branchen und Größen
Referenzbetriebe: Bürkert Werke GmbH und Co. KG; ebm-pabst Werke & Co. KG; Marquardt GmbH; Lorch Schweißtechnik GmbH; d & b audiotechnik AG
Bezugsquellen: Bertelsmann-Stiftung, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.): Demographiebewußtes Personalmanagment. Strategien und Beispiele für die betriebliche Praxis, Gütersloh 2008, 2. Auflage, S. 63ff – Preis 22,00 € – Bestellung unter www.bertelsmann-stiftung.de/verlag
Schlagwörter: Arbeitsfähigkeit, Kompetenz, Kompetenzentwicklung, Training, Schulung, Berufsbegleitendes Lernen
Autor: Josef Reind – reindl@iso-institut.de